Früher brauchte man für fast alle Tonaufnahmen ein Tonstudio. Dort waren ein Tontechniker, der Produzent, der Kunde und (natürlich) der Sprecher anwesend. Heute ist es umgekehrt: Der größte Teil der Arbeit findet remote statt.
Welche Tipps und Tricks aus dem Tonstudio können auf Sprachaufnahmen in einem Heimstudio angewendet werden? Wir haben bei unserem Chief of Sound, Gijs Friesen, nachgefragt.
Okay, Gijs. Du hast in vielen verschiedenen Tonstudios gearbeitet. Wo würdest du anfangen?
Gijs: Nun, eine Aufnahme steht und fällt natürlich mit der Stärke des Drehbuchs. Im besten Fall haben Sie es selbst geschrieben, es schreiben lassen oder gemeinsam mit dem Kunden erarbeitet. Ich versuche immer im Vorfeld herauszufinden, wie viel Flexibilität ich bei einem Drehbuch habe.
Ist der Kunde offen für Anpassungen oder ist der Text in Stein gemeißelt? Sprecher, die in ihrem eigenen Studio aufnehmen, sollten wissen, ob sie die Freiheit haben, mit dem Drehbuch zu experimentieren.
Worauf sollte man achten, wenn man ein Drehbuch erhält?
Gijs: Viele denken, dass es mit dem Schreiben des Drehbuchs getan ist. Aber bei jedem Drehbuch – und damit meine ich sowohl die guten als auch die durchschnittlichen – gibt es Verbesserungen, die noch vorgenommen werden können.
Manchmal muss man es laut aussprechen, um zu wissen, ob man mehr daraus machen kann. Ein gesprochener Text unterscheidet sich stark von einem geschriebenen Text. Ist das Drehbuch flüssig? Geht einem beim Vorlesen der Sätze die Puste aus?
Ich versuche immer, die Meinung des Sprechers zu berücksichtigen. Sie haben schon so viele Drehbücher gesehen, dass sie oft wertvolle Tipps geben können, wie die Tonaufnahmen wirklich gut klingen können.
Das Briefing: Was ist wichtig?
Gijs: Richtig, das Drehbuch allein bringt einem nicht weiter. Je mehr Input, desto besser kann der Sprecher Ihre Vorstellungen umsetzen. Bei einem Video sollte man selbstverständlich sehen, was vor sich geht, aber noch wichtiger ist: Was passiert im Hintergrund in Form von Musik und Soundeffekten?
Wenn ein Sprecher in einem Heimstudio aufnimmt, würde ich immer auch die ausgewählte Musik mitschicken. So kann er sie in ProTools laden und mit der Musik zusammenarbeiten. Er kann schneller oder langsamer sprechen und weiss, wo er das Ganze ein wenig auflockern muss. So klingt das Ergebnis natürlicher.
Was sollte der Kunde während der Aufnahme beachten?
Gijs: Ein Tipp, um unerwünschte Überraschungen zu vermeiden: Fragen Sie, ob es möglich ist, mehrere Aufnahmen mit (kleinen) Unterschieden in Tonfall und Tempo zu erstellen. Sie können den Sprecher auch bitten, eine Version mit den textlichen Änderungen aufzunehmen, die er selbst vornehmen würde.
So schaffen Sie mehr Abwechslung und können etwa eine bestimmte Zeile auf andere Art interpretieren, die besser zur Musik passt.
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Wie behandelst du Neuaufnahmen?
Gijs: Die Aufnahme sollte natürlich erst nach einem ausführlichen Briefing erfolgen. Ich finde es wichtig, dass das Briefing nur auf eine Weise interpretiert werden kann, sodass keine zusätzlichen Fragen entstehen. Die Beschreibung: ‚ernsthaft, aber dennoch heiter’ ist erklärungsbedürftig und schreit geradezu nach einer Neuaufnahme.
In einem solchen Fall ist es besser, während der Aufnahme mitzuhören. Bei Voicebooking nennen wir das Creative Control. Allerdings ist es egal, wie gut der Sprecher ist, eine Nachbearbeitung kann immer anfallen.
Bei einer sehr knappen Deadline sollten Sie die Zeit für Neuaufnahmen unbedingt einkalkulieren und im Briefing angeben. Fragen Sie im Voraus, wann der Sprecher Zeit hat für eventuelle Neuaufnahmen.
Was geschieht mit den verschiedenen Aufnahmen?
Gijs: Wenn Sie um verschiedene Aufnahmen gebeten haben, können Sie diese kombinieren und haben so mehr Möglichkeiten, den Tonfall Ihrer Produktion zu steuern. In einem Tonstudio erstellen wir fast immer eine Kombination aus verschiedenen Aufnahmen.
Experimentieren Sie, schneiden Sie, fügen Sie ein und spielen Sie mit dem Timing. Manchmal gehen wir sogar so weit, eine Silbe gegen eine andere auszutauschen, nur damit es noch ein wenig besser klingt.
Achten Sie allerdings immer darauf, dass es noch natürlich klingt. Einen roboterhaften Sound sollten Sie vermeiden.
Muss nach der Aufnahme noch etwas gemacht werden?
Gijs: Ich bin ein großer Fan von Pausen. Manchmal kann eine kurze Pause ungemein wirkungsvoll sein und die Atmosphäre der finalen Aufnahme beeinflussen. Wenn ein Drehbuch etwas weitschweifig ist, können Sie das Tempo straffen, indem Sie die Sätze enger zusammenrücken.
Atemgeräusche lasse ich in den meisten Fällen (fast) ganz weg. Manchmal können diese allerdings nicht entfernt werden, da es sonst zu roboterhaft klingt. Außerdem gibt es Atemzüge, welche die Botschaft noch verstärken können.
Soll der Sprecher die Audioaufnahmen besser unbearbeitet oder bearbeitet abliefern?
Gijs: Gute Frage. Natürlich wollen Sie einen frischen Klang und Einheitlichkeit. Manchmal hat der Sprecher bereits einige Bearbeitungen vorgenommen, damit die Aufnahme besser klingt. Falls ein Tontechniker die finale Abmischung vornimmt, sollten Sie auch um eine Rohaufnahme bitten. So hat er alle Freiheiten, den Klang weiter anzupassen und ihn für Ihre Audioproduktion zu optimieren.
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